Generationswechsel in Familienunternehmen Startseite  | zurück  | weiter  |
Zehn Handlungsempfehlungen für den Senior: 1 • 2 • 3 • 4 • 5 • 6 • 7 • 8 • 9 • 10

9.  Setzen Sie sich neue Lebensziele für die Zukunft

Ein Viertel der Unternehmer war zum Zeitpunkt des Ausscheidens krank oder verstarb kurz danach. In den anderen befragten Fälle lebten oder leben die Senioren noch lange Zeit über ihr Ausscheiden hinaus. Einige von ihnen konnten nicht loslassen. In diesen Fällen kam es zu großen Konflikten mit dem Junior. Ein Beispiel soll diese Entwicklung verdeutlichen:

Nach ca. 2 Jahren intensiver und harmonischer Zusammenarbeit mit dem Junior räumte der Senior vereinbarungsgemäß seinen Schreibtisch. Er behielt ein Büro, in dem er noch private Dinge erledigen wollte. Die Situation führte dazu, daß der Senior täglich viele Details im Unternehmen aufschnappte und sie regelmäßig an den Junior weitergab. Zunehmend entwickelte er Unzufriedenheit über die vielen kleinen Probleme in der Firma. Dabei verkannte er völlig, daß auch unter seiner Führung derartige Störquellen im Unternehmen vorhanden gewesen waren, er sie aber – ähnlich wie nun sein Sohn – aufgrund der intensiven Belastung nicht erkannt oder als nicht ernst genug angesehen hatte.

Als seine ehemaligen vier Prokuristen in Ruhestand gingen, nutzte er die Gelegenheit, sie als persönliche Berater mit in sein Büro zu nehmen. Es folgten 5 Jahre Schlagabtausch zwischen Senior und Junior. Als der Senior drohte, seine Anteile an einen Konzern zu verkaufen, endete das Verhältnis im offenen Eklat. Die verbleibenden Gesellschafter kauften die Anteile des Seniors, und das Unternehmen mußte sich hoch verschulden. Vater und Sohn reden bis heute kein Wort mehr miteinander.

Sicherlich ist dieses Beispiel extrem, aber es verdeutlicht die Gefahren. Auch die anderen erwähnten Fälle führten stets zu einer problematischen Beziehung zwischen Senior und Junior, wenn auch nicht so dramatisch, wie in dem geschilderten Fall. Die Konflikte hatten immer sehr negative Auswirkungen auf das Betriebsklima. Mitarbeiter waren frustriert, weil sie von der Geschäftsführung unterschiedliche Weisungen bekamen und viele offene Entscheidungen in endlosen Diskussionen zwischen den Parteien verzögert wurden.

Auffällig ist, daß die tägliche Präsenz des Seniors, egal wie sehr er sich zurückhält, dazu führt, daß auch sein Geist in den Köpfen der Mitarbeiter noch intensiv weiterlebt. Man spricht nach wie vor vom Chef – und meint den Senior. Bei wichtigen Dingen wird der Senior gefragt und durch seine verfügbare Zeit gelingt es ihm teilweise besser als dem Junior, intensiven Kontakt zu den Mitarbeitern zu halten. Kurz gesagt: Die von ihm aufgebaute Unternehmenskultur lebt unbewußt weiter. Der Aufbau eines eigenen Kulturprofils durch den Junior wird behindert. Den Mitarbeitern ist nur schwer das Signal zu geben, daß der Junior jetzt bestimmt, wo es lang geht.

Immerhin die Hälfte der betrachteten Senioren verhielt sich nach Meinung ihrer Nachfolger sehr fair. Ein Viertel von ihnen ist aber immer noch mindestens dreimal in der Woche im Büro. Nur etwa genauso viele Unternehmer haben es folglich geschafft, sich komplett aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen. Sie erscheinen nur noch zu Beiratsversammlungen oder auf Firmenfesten. Entscheidender Grund für dieses Verhalten ist die Tatsache, daß sie sich rechtzeitig andere Beschäftigungsfelder gesucht haben.

Der Senior war immer schon viel beschäftigt und auf zahlreichen Gebieten zu Hause. Dies äußerte sich allein schon in der Tatsache, daß er in 40 Nachkriegsjahren 4 komplette Geschäftsfelder aufbauen konnte. In seinem Unternehmen ist er heute nur noch als Beiratsvorsitzender tätig.

Bereits im Zeitraum der Zusammenarbeit mit seinem Nachfolger organisierte er die Zeit danach. Er kaufte eine Farm in Australien, auf der er Viehzucht betreibt und die er regelmäßig besucht. Daneben startete er eine Hühnerzucht auf eigenem Grundstück vor dem Werksgelände, die inzwischen erhebliche Zuwachsraten hat. Zusätzlich besaß er bereits seit einiger Zeit drei Jagdreviere in der näheren Umgebung, um die er sich seit seinem Ausscheiden aus der Firma aktiv kümmert.

Die Möglichkeiten zur Beschäftigung sind vielseitig, besonders dann, wenn – wie in vielen Fällen - die finanziellen Mittel vorhanden sind. Wichtig, so sagte ein Junior treffend, ist, daß man sich rechtzeitig Gedanken darüber macht. Ist der erste Tag zu Hause erst einmal gekommen, ist es meist zu spät. So empfahl ein Junior-Unternehmer aufgrund der Negativerfahrungen mit seinem Vater, Perspektiven bereits ab dem 50. Lebensjahr aufzubauen. Warum, so fragte er, soll man sich nicht einen Tag die Woche freinehmen, um ein zweites Standbein aufzubauen? Wenn man dies über einen Zeitraum von 10 oder 15 Jahren macht, fällt der Ausstieg leichter.

So berichtete ein Unternehmer, sein Vorgänger habe sich seit jeher für Kunst interessiert und bereits einige Zeit vor seinem Ausstieg damit begonnen, ein Kunstmuseum in der Stadt zu gründen. Ein anderer wieder engagierte sich stark in der regionalen Politik. Jedoch sollten derartige Tätigkeiten auch nicht als Zwang empfunden werden. Wer die Ruhe genießen und – wie in einem Fall – den Tag mit Zeitunglesen, Golfspielen und Bridge-Abenden oder auch Reisen verbringen kann, sollte dies selbstverständlich tun. Entscheidend ist, daß es Perspektiven für die Zeit nach der Tätigkeit im Unternehmen gibt, auf die man sich freut.

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