Generationswechsel in Familienunternehmen Startseite  | zurück  | weiter  |
Zehn Handlungsempfehlungen für den Junior: 1 • 2 • 3 • 4 • 5 • 6 • 7 • 8 • 9 • 10

6. Schaffen Sie alte Privilegien gezielt ab

Als Konsequenz aus einem kooperativen Führungsstil, in dem selbständig agierende Mitarbeiter die gesetzten Ziele erreichen sollen, versuchen viele Junior-Unternehmer, leistungsabhängige Entlohnungssysteme einzuführen. Je mehr ein Mitarbeiter für das Erreichen des Unternehmensziels leistet, um so mehr soll er auch an dem daraus resultierenden Erfolg partizipieren. Von den Befragten Junior-Unternehmern zahlen zwei Drittel einem Teil oder allen Mitarbeitern leistungs- oder erfolgsabhängige Löhne und Gehälter. Einige weitere sind dabei, derartige Systeme zu entwickeln. Einer konnte dieses Vorhaben aufgrund des Vetos eines Minderheitsaktionärs nicht in die Tat umsetzen. Von allen Unternehmern mit dieser Absicht, konnte nur jeder Siebte auf ähnliche Systeme seines Vorgängers zurückgreifen.

Dabei leiden viele Nachfolger in der Umsetzung ihrer Pläne unter der Großzügigkeit, die sich ihre Vorgänger in den wirtschaftlich hervorragenden Zeiten der 70er und 80er Jahre leisteten. Auch hier ein Beispiel:

Dem Unternehmen ging es über Jahrzehnte hinweg blendend. Zunehmend hatten sich Privilegien für die Belegschaft eingebürgert, welche der Senior-Unternehmer zur Motivation eingeführt hatte. So gab es beispielsweise Löhne, die je nach Betriebszugehörigkeit 5-10% über den Tariflöhnen lagen. Zu Weihnachten bekam jeder Mitarbeiter eine Sonderzahlung zum Weihnachtsgeld, die als Zuschuß für den Weihnachtsbaum gedacht war. Zum 25-jährigen Firmenjubiläum bekam jeder Mitarbeiter eine goldene Uhr im Wert von 700,- DM.

Im Interview legte der Junior überzeugend dar, daß er sich in der heutigen Zeit derartige Zusatzkosten nicht mehr leisten könne. Eine leistungsgerechtere Entlohnung wäre ihm viel lieber. Er sehe allerdings große Probleme, die bestehenden Privilegien zu beschneiden.

Leistungsabhängige Entlohnung setzt bescheidene Grundgehälter und erfolgsabhängige Steigerungen voraus. Ist die Grundentlohnung aus der Vergangenheit heraus derart hoch, daß wirtschaftlich vertretbare Anreize kaum noch gesetzt werden können, ist eine Umsetzung des Leistungsprinzips kaum möglich.

Interessanterweise sagten viele Mitarbeiter, besonders jüngere, daß diese Art der Entlohnung heute zeitgemäß sei. Sie gaben zu, daß sie viel eher durch monetäre Anreize als durch die Persönlichkeit eines Unternehmers oder eine betriebliche Veranstaltung motiviert würden.

Wie hoch der Preis sein kann, zu derartigen Vergütungssystemen zu wechseln, zeigt das folgende Beispiel.

In den 70er Jahren hatte das Unternehmen einmal große Schwierigkeiten. Der Senior wandte sich in einem Brief an alle Mitarbeiter. Darin bat er alle, aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens auf das Weihnachtsgeld in dem besagten Jahr zu verzichten. Eine Nachzahlung in wirtschaftlich besseren Zeiten wurde angekündigt. Als nur 40% der Mitarbeiter freiwillig auf die Auszahlung verzichteten, beschloß der Senior, das Weihnachtsgeld trotz der Probleme zu zahlen.

20 Jahre später, diesmal unter Führung der beiden Junioren, war das Unternehmen abermals in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Durch leistungsorientierte Entlohnung sollte der Output erhöht werden. Kurzerhand wurden die gesetzlichen Möglichkeiten zu Rate gezogen und mehrere Einsparungen beschlossen (z.B. Lohnkürzungen von 6% durch Wechsel in den brancheneigenen Tarifvertrag, Kürzung des Weihnachtsgelds um 5% und eine Reduktion der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall um 20%). Steigerungen sollten nur noch durch variable Gehaltsanteile erzielbar sein.

Diese Maßnahmen wurden den Mitarbeitern auf einer Betriebsversammlung mitgeteilt. Der Vertrauensbruch zur Geschäftsführung war enorm. In der Belegschaft war man sich einig: "So etwas hätte es unter dem Senior nicht gegeben". Mit einem Schlag hatten die beiden Nachfolger das Betriebsklima auf den Nullpunkt gebracht und das gute Verhältnis zwischen Mitarbeitern und Familie zerstört.

Das Beschneiden der Privilegien hatte in diesem Fall einen hohen Preis zur Folge. Es wird noch einige Jahre dauern, bis die Mitarbeiter sich mit der neuen Situation abfinden. In der Erinnerung wird diese Betriebsversammlung wohl für immer bleiben.

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