Generationswechsel in Familienunternehmen Startseite  | zurück  | weiter  |
Zehn Handlungsempfehlungen für den Junior: 1 • 2 • 3 • 4 • 5 • 6 • 7 • 8 • 9 • 10

9. Bewahren Sie Erhaltenswertes

Viele Unternehmer, die heute ihre Firma auf die Nachfolge vorbereiten, waren in den 60er bis 80er Jahren sehr erfolgreich. Dieser Erfolg kam nicht von ungefähr. War in Zeiten ständigen Nachfragezuwachses und Angebotsmangels das Hauptproblem, ausreichende Produktion zu garantieren und dabei die Produktionskosten möglichst gering zu halten, so hat sich die Wettbewerbssituation heute in den meisten Industrien grundlegend geändert. Heute erzielen viele Unternehmen ihre Erfolge eher auf der Marktseite. Gute Produkte allein reichen für Erfolg nicht mehr aus. Trotzdem haben die Senior-Unternehmer offensichtlich einiges richtig gemacht, sonst stünden ihre Unternehmen nicht heute zur Nachfolge an.

Es kann für die Nachfolger lohnend sein, sich über Erhaltenswertes Gedanken zu machen. Dies gilt nicht nur für die strategischen Ziele des Unternehmens, wie dies oft geschieht. Auch Führungsprinzipien und -instrumente können weiterleben in einem anderen Führungsstil. Ein Beispiel kann das Anliegen verdeutlichen.

Der Senior war immer sehr sparsam mit Preisnachlässen. Hier hatte er seine Prinzipien. Unter Mitarbeitern kursierte das scherzhafte Gerücht, auf die Gewährung von Rabatten stünde die Todesstrafe. Um dieses Prinzip durchzusetzen, bewilligte er jede Ermäßigung persönlich und nach seinem eigenen Ermessen.

Als der Junior das Unternehmen übernahm, erkannte er schnell die Vorzüge, von Kunden nicht gegeneinander ausgehandelt werden zu können. Auch er wollte eine straffe Preispolitik. Gemäß seines Führungsideals, wollte er sich aber nicht um jeden Auftrag selber kümmern müssen. Er formulierte ein strenges Regelwerk zusammen mit dem Vertriebschef, in welchem das Gedankengut des Seniors wiederzufinden war. Innerhalb dieses Regelwerks, so wurde vereinbart, könne sich der Vertrieb nach eigenem Ermessen frei bewegen. Nur darüber hinausgehende Preisnachlässe sollten mit ihm abgestimmt werden. Gleichzeitig stellte der Junior die Entlohnung der Vertriebsleute von einer umsatzorientierten auf eine deckungsbeitragsorientierte Erfolgsmessung um. Dadurch stellte er sicher, daß der gewährte Rahmen möglichst selten ausgenutzt wurde.

Immerhin die Hälfte der interviewten Junior-Unternehmer verfeinerte auf diese oder ähnliche Weise das Entgeltsystem. Die meisten beschränkten sich dabei nicht nur auf den Vertrieb, sondern versuchten auch, möglichst viele andere Unternehmensbereiche mit einzuschließen. In fast allen Fällen sind sowohl die Unternehmensleitung als auch die Mitarbeiter zufrieden mit derartigen Regelungen. Die neuen Freiheiten und die Möglichkeit, mehr Geld zu verdienen, spornten zumindest im Vertrieb zu zielkonformerem Verhalten an. Die bessere Einhaltung von Zielen führte zu Ergebnisverbesserungen und vor allem zu einer deutlichen Entlastung des Chefs. Es kann sich also lohnen, auch in anderen Unternehmensbereichen bewährte Grundsätze des Seniors in ein Regelwerk zu fassen und damit für das Unternehmen zum einen zu erhalten und zum anderen für die eigenen Ziele einzusetzen.

Das folgende Beispiel zeigt, wie wertvoll dies für das Unternehmen sein kann. Dabei spielt es keine Rolle, daß auch dieser Fall mit dem Vertrieb zu tun hat.

Durch starke Mechanisierung waren in den letzten 20 Jahren viele Unternehmen der Branche auf der Strecke geblieben. Hinzu kam eine vollständige Internationalisierung der Märkte, die den Kostendruck weiter erhöhte. Das Unternehmen hatte seit Jahren immer die modernsten Maschinen gehabt und teilweise 10% des Umsatz investiert. Dadurch war eine so gute Kostenstruktur erreicht worden, daß man auf den Weltmärkten wettbewerbsfähig geblieben war.

Als aufgrund der Krise im Maschinenbau keine innovativeren Maschinen mehr zu kaufen waren, schmolz mit jedem Jahr der technische Vorsprung dahin, und bald war der Lohnnachteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz nicht mehr wett zu machen. Eine Spezialisierung auf Sonder- und Nischenprodukte war die einzige Überlebensstrategie.

Da die teuren Maschinen nur dann billig produzierten, wenn sie ausgelastet waren, hatte man schon früh eine sehr detaillierte Kostenrechnung installiert. Mit ihrer Hilfe wurden Auslastung und Durchschnittskosten akribisch beobachtet. Jetzt, da man die volumenmäßig kleineren Spezialprodukte mit Mühen am Markt plazieren mußte, stellte sich die Frage nach der Erfolgsberechnung für den Vertrieb. Der Junior wechselte von einer umsatzabhängigen Bezahlung zu einer Bezahlung anhand der durchschnittlichen Produktionskosten. Je höher die Auslastung der Maschinen ist, desto geringer sind die Kosten. Je geringer die Wechselkosten von einem Produkt zum nächsten sind, desto höher ist die Auslastung. Durch diese ungewöhnliche Bezahlweise für einen Außendienstler, schaffte er Anreize, große Stückzahlen für ein Produkt mit entsprechend ähnlichen Lieferzeiten zu verkaufen und dadurch preiswert produzieren zu können.

Das Beispiel ist zwar recht technisch. Es zeigt aber, wie ein Grundgedanke des Vaters auch unter ganz neuen Bedingungen erhalten werde konnte und auch heute noch wesentlich zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. Auf den ersten Blick hätten die neuen Markt- und Produktionsbedingungen vielleicht völlig andere Denkweisen provoziert.

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