Generationswechsel in Familienunternehmen Startseite  | zurück  | weiter  |
Zehn Handlungsempfehlungen für den Senior: 1 • 2 • 3 • 4 • 5 • 6 • 7 • 8 • 9 • 10

2.  Achten Sie darauf, daß der Junior zu Ihrer Kultur paßt

In der Fachliteratur zum Generationenwechsel wird zur Frage der Auswahl des Nachfolgers die Erziehung (z.B. Verhältnis zu Geld, Leistungswille, etc.) und Ausbildung (z.B. fachspezifisches Studium, evt. Lehre, Tätigkeit in einem branchenverwandten Unternehmen) besonders hervorgehoben. In der durchgeführten Untersuchung hat der Senior zumeist eine fachspezifische, nicht akademische Ausbildung, während fast alle Junior-Unternehmer ein Studium absolviert haben. Ein Viertel der Befragten hat eine Lehre oder ein Trainee-Programm gemacht, genauso viele hatten allerdings vor dem Eintritt keine Erfahrungen in anderen Unternehmen gesammelt. Geht man nach den häufig definierten Anforderungen an die Ausbildung, so sind aus der Stichprobe etwa ein Viertel der Nachfolger unzureichend auf die Tätigkeit als Inhaber-Geschäftsführer vorbereitet gewesen.

Die in der Literatur geforderten Ausbildungskriterien werden also weitestgehend eingehalten. Zwei weitere Aspekte werden allerdings vernachlässigt. Sie werden in diesem Abschnitt erläutert.

Fast 4 Stunden hatte der Unternehmer nun begeistert von den Veränderungen und Projekten in seinem Unternehmen erzählt. Er hatte als Schwiegersohn die Geschäfte des Seniors vor 5 Jahren übernommen. Auf die Frage, ob er sich ähnlich stark mit dem Unternehmen identifiziere wie sein Schwiegervater, antwortete er: "Nein, auf keinen Fall. Mir gehören heute knapp 6% des Unternehmens. Der Anteil soll in den nächsten Jahren nur langsam steigen. Außerdem fehlt mir der Name. Ich habe eher das Gefühl, ein Fremdmanager zu sein."

Nur zwei Junior-Unternehmer haben die Frage nach der Identifikation mit dem Unternehmen mit "Nein" beantwortet. Zwar räumten auch fast alle anderen ein, es habe ein oder zwei Jahre gedauert, bis man sich vollständig mit der Sache identifiziert habe. Früher oder später war dies bei ihnen allen jedoch eingetreten.

Der folgende Fall zeigt aber, daß auch Formalien wie Name und Eigentum am Unternehmen keine Garantie für eine persönliche Identifikation mit der Firma sind.

In seiner Kindheit und Jugend hatte der Sohn so gut wie keinen Kontakt mit dem Unternehmen. Erst als er schon im Studium war und der Vater ihn auf einem langen Sonntagsspaziergang auf eine eventuelle Nachfolge ansprach, begann er, sich mit dem Unternehmen auseinanderzusetzen. Zu spät, wie die weitere Entwicklung zeigte.

Nach 7 Jahren intensiver Zusammenarbeit mit dem Vater, davon 3 Jahre als Geschäftsführer, hatte der Sohn vor einem halben Jahr die alleinige Führung der knapp über 30 Mitarbeiter beschäftigenden Firma übernommen. In seiner Zeit als mitverantwortlicher Geschäftsführer hatte das Unternehmen die besten Ergebnisse seit Bestehen erzielt.

Nun, ein halbes Jahr nach dem Ausscheiden des Vaters, fusionierte der Sohn das Unternehmen mit dem Erzrivalen. Über Jahrzehnte hatte der Vater sich auf einem kleinen Nischenmarkt weltweit gegenüber diesem übermächtigen Wettbewerber behauptet, und alle Mitarbeiter waren sehr stolz auf diesen Erfolg. Nun bangen die Mitarbeiter darum, daß das weltbekannte Logo im neuen Firmennamen erhalten bleibt. Was sie bisher nur ahnen: Der Junior hat sich eine Verkaufsoption nach fünf Jahren geben lassen!

Die meisten befragten Unternehmer berichteten, sie seien seit frühester Kindheit mit dem Unternehmen in Berührung gekommen. Als Kinder hätten sie auf dem Hof gespielt, als Schüler in der Produktion gejobt und als Student ihre Diplomarbeit im Vertrieb geschrieben. Das Unternehmen sei stets Mittelpunkt des Familienlebens und Gesprächsthema bei Tisch gewesen. In dem vorstehenden Fall war dieser natürliche Kontakt fast vollständig ausgeblieben. Eine emotionale Verbindung zur Kultur des Unternehmens und des Unternehmers konnte so nicht entstehen.

Ein anderer Unternehmer bezeichnete diesen frühen Kontakt mit dem Unternehmen, das Aufwachsen mit der Firma und dem Lebensstil eines Unternehmers als sehr entscheidend für sein späteres Interesse an Beruf und Firma des Vaters.

Das folgende Beispiel zeigt, daß die aufgezeigten Risiken selbst dann nicht zur Gefahr für das Unternehmen werden müssen, wenn eigene Kinder als Nachfolger nicht in Frage kommen:

Frühzeitig begann der kinderlose Unternehmer, einen geeigneten Nachfolger zu suchen. Seine Schwester, die selber mit einem Unternehmer verheiratet war, hatte zwei Söhne. Schon zu Kindeszeiten seiner Neffen führte er dann mit Schwester und Schwager Diskussionen über eine mögliche Nachfolge der Jungen nicht nur im familieneigenen Unternehmen der Schwester sondern auch in seinem eigenen Betrieb. Gezielt wurde die Nachfolge eines Neffen im Unternehmen vorbereitet, Ausbildung und Praktika wurden auf die spätere Aufgabe abgestimmt.

Als der Eintritt ins Unternehmen anstand, wurde der Neffe adoptiert. Dies erleichterte die steuerliche Gestaltung, führte aber auch dazu, daß der Firmenname in der Person des Unternehmers weiterlebte. Schließlich bekam der Junior noch die Möglichkeit, einen erheblichen Anteil am Unternehmen zu kaufen. Der so in das Unternehmen eingestiegene Neffe sagt von sich selbst, daß er nicht zuletzt aufgrund dieser Gestaltung voll hinter seiner Aufgabe stehe. Dies beweist auch der enorme Erfolg des Unternehmens, der ohne einschneidende Veränderungen und unternehmerischen Tatendrang nicht möglich gewesen wäre.

Identifikation mit dem Familienunternehmen muß also bereits im Vorfeld der Nachfolge ermöglicht werden und gedeihen. Äußere Merkmale wie Eigentum und Name sind wichtige Hilfen, reichen aber nicht aus. Mindestens ebenso wichtig ist das Verständnis und die Begeisterung für den Beruf des Unternehmers und die Branche, in der er tätig ist. Vor diesem Hintergrund sollte die Auswahl des Nachfolgers nicht ausschließlich an Ausbildungsmerkmalen festgemacht werden. Begeisterung für das Unternehmen und den Beruf des Unternehmers sind mindestens ebenso wichtig, aber viel schwieriger zu erzeugen. Betriebswirtschaftliches Know-how kann man sich anlesen oder erlernen, die innere Einstellung muß in einem geeigneten kulturellen Umfeld entstehen.

Gemeint ist eine Art "Kultur-Coaching" des Juniors im Hinblick auf die der existierenden Unternehmenskultur. Die Fähigkeit, in einem unternehmerischen Umfeld klarzukommen, ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg eines Unternehmers. Man stelle sich vor, welche Probleme ein promovierter Jurist in einem mittelständischen Bauunternehmen bekommen kann, wenn er mit den branchenüblichen, teilweise recht harten Umgangsformen nicht zurechtkommt. Dabei können derartige Umgangsformen auch unternehmensintern geschaffen worden sein. Ein Beispiel aus der Befragung soll diese Empfehlung verdeutlichen.

Der Senior hatte über viele Jahre das Unternehmen mit großer Strenge und starker Sparpolitik geführt. Durch große Bescheidenheit ging er mit Beispiel voran und schuf so in den Köpfen der Mitarbeiter eine Kultur, in der sich besonnenes Handeln durch Sparsamkeit auszeichnete.

Über 15 Jahre später fährt der Junior heute einen französischen Kleinwagen und bewohnt eine gemietete Dachgeschoßwohung im Dorf. Jeder weiß, daß er sich deutlich mehr leisten könnte. Die Akzeptanz bei den Mitarbeitern war von Anfang an enorm.

Wie stark ein Unternehmen von einem Junior mit einer völlig anderen Kultur betroffen sein kann, zeigt im Gegensatz dazu das folgende Beispiel.

Nach erfolgreichem BWL-Studium bekam der Junior ein attraktives Jobangebot von einem großen internationalen Konsumgüterhersteller. Schnell machte er dort Karriere und hatte schließlich Gelegenheit, einen eigenen Produktbereich in Ungarn komplett neu und alleinverantwortlich aufzubauen. Als die Überlegungen konkret wurden, doch in das väterliche Unternehmen einzutreten, entschied der Sohn, seine Manager-Karriere abzubrechen.

Da auch das Familienunternehmen im Konsumgüterbereich tätig war, hatte der Junior viele Ideen. Auf Auslandsmärkten bewandert, erreichte er durch gezielte Aktionen auf Anhieb eine Umsatzsteigerung von 10% trotz des sinkenden Marktvolumens. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden zahlreiche Veränderungen vorgenommen. Aus der Exportabteilung wurde eine dem ehemaligen Vertriebschef gleichgestellte Auslandsabteilung, der Vertrieb wurde von nun an nach Deckungsbeitrag, nicht nach Umsatz bezahlt, und in vielen Besprechungen wurden gemeinsam Konzepte bearbeitet, ohne daß jemand sagte, wo es lang geht. Einige Mitarbeiter, die nicht von Anfang an mitzogen, wurden nach Konzernmanier gefeuert. Die Kultur näherte sich der eines Konzerns in vielen Punkten an. Für die Mitarbeiter bedeutete dies erhebliche Umstellungen und Unsicherheiten, die bis heute zu einem sehr schlechten Betriebsklima führten.

Sind derartige Veränderungen für das Unternehmen notwendig, kann ein Kultur-Fit auch bedeuten, daß der Nachfolger Kenntnisse und Merkmale hat, die zwar nicht unbedingt in die bestehende Unternehmenskultur passen, aber für die Zukunft des Unternehmens wichtig sind. Er paßt dann in das (zukünftige) Unternehmen, gerade weil er viele Dinge anders macht.

Besser ist es natürlich, wenn größere Veränderungen in der Unternehmenskultur gar nicht notwendig sind. Eine solche Ausgangssituation ermöglicht mehr Kontinuität.

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